RAUMPLANUNG UND KLIMAPOLITIK
Rechtliche Instrumente der örtlichen Energieraumplanung
Die örtliche Raumplanung trägt dazu bei, klima- und energiepolitische Zielsetzungen zu erreichen. Welche Instrumente diese – auch im Zusammenhang mit dem Unions- und Verfassungsrecht – bietet, erläutern die Fachautoren Mario Laimgruber und Emil Nigmatullin.


Die örtliche Raumplanung kann als eine der zentralen Gemeindeaufgaben einen Beitrag zur Erreichung der österreichischen Klimaschutzziele leisten, weil kommunale Raumplanungsentscheidungen unmittelbare energie- und damit klimaschutzbezogene Auswirkungen entfalten. Dies beweisen die nachfolgenden Beispiele:
• Die Schaffung kompakter Siedlungsstrukturen (etwa durch Baulandmobilisierung) zieht eine Reduktion von Wärmeverlusten und damit die Erhöhung der Energieeffizienz im Gebäudebereich nach sich und verringert die zurückzulegenden Distanzen und damit den gebäudeinduzierten Verkehrsbedarf.
• Größere Grünland- und Waldflächen sowie Fassadenbegrünung führen zu einer Kohlenstoffsenkung.
• Auch die kommunale Energieversorgung hängt von den räumlichen Bodennutzungsfestlegungen ab (zum Beispiel PV-optimierte Gebäudeausrichtung und -gestaltung).
Diese am Energiebedarf und an der Energieversorgung ausgerichtete Raumstrukturierung wird bereits seit mehreren Jahrzehnten unter dem Begriff „Energieraumplanung“ diskutiert. Im vorliegenden Beitrag werden die rechtlichen Anforderungen an den dahingehenden Teilbereich der „örtlichen Energieraumplanung“ untersucht. Zur örtlichen Energieraumplanung zählen sämtliche hoheitliche und nicht-hoheitliche Akte im Zuständigkeitsbereich der Gemeinden, welche die Strukturierung des Gemeinderaums im Dienste klima- und energiepolitischer Zielsetzungen zum Gegenstand haben.
Überblick:
Örtliche Energieraumplanung und Unionsrecht
1. Strategische Umweltprüfung bei örtlichen Energieraumplanungsakten
2. Erneuerbare-Energie-RL und Elektrizitätsbinnenmarkt-RL
3. Mögliche zukünftige Anforderungen der Erneuerbare-Energie-RL
Hoheitliche Instrumente
Als hoheitliche Instrumente der örtlichen Raumplanung bestehen in den meisten Bundesländern örtliche Entwicklungsprogramme, Flächenwidmungspläne und Bebauungspläne. Sie unterliegen einem hierarchischen Stufenbau, weshalb Flächenwidmungspläne mit dem jeweiligen örtlichen Entwicklungsprogramm und Bebauungspläne mit dem jeweiligen Flächenwidmungsplan und dem Entwicklungsprogramm in Einklang zu stehen haben. Bestehenden raumplanerischen Festlegungen des Bundes und der Länder – etwa im Bereich der Windkraft- und PV-Anlagen – ist im Rahmen der örtlichen Energieraumplanung auch Rechnung zu tragen. Nicht rechtsverbindliche Leitfäden und Strategien mit Energierelevanz zählen zwar nicht zu den hoheitlichen Instrumenten der Raumplanung, entfalten für diese allenfalls jedoch als Fachgutachten mittelbare rechtliche Wirkungen.
Der energieraumplanerische Instrumentenkatalog für Gemeinden divergiert bundesländerabhängig. Zahlreiche Raumordnungsgesetze verpflichten die Gemeinden bereits gegenwärtig dazu, in ihren Raumplanungsakten bestimmte klimaschutz- und energieversorgungsrelevante Inhalte festzulegen. Zum Beispiel werden niederösterreichische Gemeinden Energie- und Klimakonzepte als Grundlage für die Aufstellung oder Änderung örtlicher Raumordnungsprogramme zu erarbeiten haben. Darin können etwa Vorrang- und Eignungsgebiete für die Gewinnung erneuerbarer Energie und Gebiete mit bestehender und erweiterbarer Fernwärmeversorgung enthalten sein.
Vertragsraumordnung
Sämtliche Raumordnungsgesetze ermächtigen die Gemeinden zum Abschluss zivilrechtlicher Raumordnungsverträge und normieren dabei bestimmte Mindestinhalte. Die sogenannte Vertragsraumordnung ermöglicht somit den Abschluss privatrechtlicher Vereinbarungen raumwirksamen Inhalts zwischen Gemeinden und Grundeigentümern.
Herausragende Bedeutung haben Raumordnungsverträge im Bereich der Baulandmobilisierung erlangt. Um Bauüberhänge zu reduzieren, werden bereits als Bauland ausgewiesene, aber de facto ungenutzte Flächen durch vertragliche Vereinbarungen einer verpflichtenden Bebauung zugeführt. Daneben kann die Vertragsraumordnung allerdings auch weitere Zielsetzungen verfolgen: So wurden in der Vergangenheit Infrastruktur-, Planungskosten- sowie Überlassungsverträge abgeschlossen. Raumordnungsverträge können verschiedenartige klima- und energiebezogene Funktionen erfüllen und damit die Zielsetzungen der örtlichen Energieraumplanung fördern. In solchen Verträgen könnten etwa energetische und ökologische Mindeststandards kommunaler Wohn-, Büro- und Gewerbebauten sowie die Verpflichtung der Grundeigentümer zur Errichtung von E- und Wasserstoff-Tankstellen auf (ehemaligen) Gemeindeflächen festgelegt werden. In jedem Fall bestehen hierbei geringere rechtliche Bindungen als bei den genannten hoheitlichen Energieraumplanungsinstrumenten. Diese rechtlichen Spielräume vereinfachen den Einsatz von Raumordnungsverträgen als kommunales Steuerungsinstrument.
Örtliche Energieraumplanung und Unionsrecht
Die genannten hoheitlichen Instrumente der örtlichen Energieraumplanung sind insbesondere im Einklang mit den folgenden Vorgaben des Unionsrechts einzusetzen:
1. Strategische Umweltprüfung bei örtlichen Energieraumplanungsakten
Die strategische Umweltprüfung (SUP) ist in der SUP-RL geregelt. Sie bezweckt die Vermeidung von Umweltkonflikten bereits im Planungsstadium und nicht erst im jeweiligen Anlagengenehmigungsverfahren. Hoheitliche Raumplanungsakte der Gemeinden unterliegen regelmäßig dem Anwendungsbereich der SUP-RL. Hingegen haben Gemeinden beispielsweise rechtsunverbindliche kommunale Energiekonzepte oder -strategien im Regelfall keiner SUP zu unterziehen. Eine SUP ist nur dann durchzuführen, wenn der im Bereich der Raumordnung liegende Plan den Rahmen für die Genehmigung UVP-pflichtiger Projektvorhaben bildet oder geeignet ist, Europaschutzgebiete oder die Umwelt im Allgemeinen erheblich zu beeinträchtigen.
Mit der SUP-Pflicht eines örtlichen Raumplanungsakts sind nicht unerhebliche Rechtsfolgen verbunden: Gemeinden haben in solchen Fällen einen Umweltbericht zu erstellen sowie Alternativen zum in Rede stehenden Planentwurf darzustellen und zu begründen, warum diese nicht zur Anwendung gelangen. Umweltbericht und Planentwurf sind einem Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren zu unterziehen. Die Ergebnisse der SUP sind bei der Planannahme zu berücksichtigen.
2. Erneuerbare-Energie-RL und Elektrizitätsbinnenmarkt-RL
Bestimmte Regelungen der Erneuerbare-Energie-Richtlinie und der Elektrizitätsbinnenmarkt-Richtlinie sind für die örtliche Energieraumplanung relevant. Zwei Beispiele:
• Art 15 Abs 1 lit c EE-RL schreibt vor, dass die Mitgliedsstaaten objektive, transparente und verhältnismäßige Genehmigungs-, Zertifizierungs- und Zulassungsvorschriften für Anlagen zur Elektrizitäts-, Wärme- und Kälteerzeugung auf Basis erneuerbarer Energieträger zu erlassen habe, die nicht zwischen Antragstellern diskriminieren und „den Besonderheiten der einzelnen Technologien“ für erneuerbare Energie vollständig Rechnung tragen.
• Art 8 Abs 1 EB-RL verpflichtet die Mitgliedsstaaten zur Normierung objektiver, transparenter und verhältnismäßiger Genehmigungskriterien für Elektrizitätserzeugungsanlagen.
Das Erfordernis der Flächenwidmungskonformität ist materiengesetzlich teilweise als Genehmigungskriterium vorgesehen. Erweisen sich Energieraumplanungsakte aus fachlicher Sicht als unsachlich, könnten diese – allenfalls mittelbar – auf unionsrechtliche Bedenken stoßen.
3. Mögliche zukünftige Anforderungen der Erneuerbare-Energie-RL
Im Rahmen des jüngsten „REPowerEU“-Pakets hat die Europäische Kommission unter anderem einen Vorschlag zur Änderung der Erneuerbare-Energie-RL veröffentlicht. Dieser enthält auch Vorgaben für die Standortwahl bei Erzeugungsanlagen auf Basis erneuerbarer Energieträger: Hiernach würden die Mitgliedsstaaten dazu verpflichtet werden, innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten der Änderungs-RL jene Flächen für die Errichtung von Anlagen auf Basis erneuerbarer Energieträger – mit Ausnahme von Standorten für Anlagen zur Feuerung von Biomasse – festzulegen bzw. zu ermitteln, die zur Erreichung ihrer nationalen erneuerbaren Ausbauziele bis 2030 erforderlich sind. Dabei wären insbesondere die regionale Verfügbarkeit und die Potenziale der jeweiligen Erzeugungstechnologie sowie die verfügbaren Netzkapazitäten zu berücksichtigen.
Der RL-Vorschlag gebietet weiters, dass die Mitgliedsstaaten binnen zwei Jahren nach Inkrafttreten der Änderungs-RL die festgelegten Flächen als sogenannte „Go-to-Gebiete“, sprich Eignungszonen für erneuerbare Energien für einzelne oder mehrere erneuerbare Erzeugungstechnologien ausweisen. Bei der Wahl der auszuweisenden Flächen soll verbauten Flächen der Vorzug gegeben werden. Natura-2000-Gebiete und sonstige Naturschutzgebiete sind auszunehmen. Die den „Go-to-Gebieten“ zugrundeliegenden Pläne sind einer SUP und unter bestimmten Voraussetzungen einer Naturverträglichkeitsprüfung zu unterziehen.
Vor diesem Hintergrund ist klar, dass auch der Unionsgesetzgeber in Zukunft einen verstärkten Fokus auf die Standortwahl für die Errichtung von Anlagen auf Basis erneuerbarer Energieträger legen wird. Aus Gemeindesicht wird die Verteilung der beschriebenen Aufgaben durch den österreichischen Gesetzgeber entscheidend sein.
Stark gekürzter und bearbeiteter Auszug des Fachbeitrags „Örtliche Energieraumplanung: Unions- und verfassungsrechtliche Voraussetzungen und Grenzen (Teil 1)“ von Mario Laimgruber und Emil Nigmatullin. Den vollständigen Beitrag finden Sie in der Printausgabe 3/2022 der MANZ-Zeitschrift „Recht & Finanzen für Gemeinden“ (RFG). Der zweite Teil des Artikels wird im Dezember, ebenfalls in der RFG, erscheinen. Hingewiesen wird auf Hartlieb/Kitzmüller/Laimgruber (Hrsg), Gemeinde in der Energiewende, Schriftenreihe Recht & Finanzen für Gemeinden, Band 01-02/2022. In dem Doppelband der Schriftenreihe haben die beiden Autoren bereits die grundlegenden Überlegungen zum nunmehrigen Fachartikel ausgeführt und darüber hinaus die vielfältigen Fragen der Energiewende gemeinderelevant und praxisbezogen beleuchtet.