MELDUNG · 03. März 2020
MANZ im Gespräch mit Dominik Hofmarcher zum Geschäftsgeheimnisschutz

Lieber Herr Dr. Hofmarcher, Geheimnisse haben wir alle – das trifft wohl auch auf Unternehmen zu. Die praktische Bedeutung des Geschäftsgeheimnisschutzes dürfte daher recht groß sein?
Das stimmt – der Schutz von Know-how und sensiblen Geschäftsinformationen spielt seit jeher quer über alle Branchen und völlig unabhängig von der Größe des Unternehmens eine wichtige Rolle. Studien haben gezeigt, dass der Geschäftsgeheimnisschutz von Unternehmen als mindestens ebenso wichtig eingestuft wird wie etwa der Patentschutz. Mit dem feinen Unterschied, dass der Patentschutz nur für gewisse Unternehmen von Bedeutung ist, der Geschäftsgeheimnisschutz aber für alle. Letztendlich braucht man einen Unternehmer ja nur zu fragen, welche Informationen er ungern in den Händen eines Mitbewerbers sehen oder in der Zeitung lesen würde. Das betrifft vertrauliche technische und kommerzielle Informationen, aber auch solche, die einen Schaden verursachen können, wie etwa negative Wachstumsprognosen. Für derartige Informationen wünscht sich der Unternehmer ein Recht auf Vertraulichkeit. Dieses berechtigte Interesse kollidiert freilich mit Informationsrechten Dritter und bestimmten Transparenzpflichten.
Es ist anzunehmen, dass schon bisher ein entsprechender Schutz bestand – was hat sich in diesem Bereich so grundlegend geändert?
Das ist ein wichtiger Punkt – der rechtliche Schutz wurde der praktischen Bedeutung bisher keineswegs gerecht und führte eher ein stiefmütterliches Dasein. Zwar wurden heikle Informationen vertraulich behandelt und faktisch abgesichert, das „Recht auf Vertraulichkeit“ wurde aber kaum durchgesetzt. Das lag einerseits an Rechtsunsicherheiten angesichts sehr rudimentärer und fragmentarischer materieller Bestimmungen, andererseits aber auch am fehlenden Schutz der Informationen im Gerichtsverfahren. Niemand führt einen Prozess, wenn er fürchten muss, dass die zu schützenden Informationen im Gerichtsverfahren erst recht gefährdet werden.
Mit der Umsetzung der Geschäftsgeheimnis-Richtlinie wurde der zivilrechtliche Geschäftsgeheimnisschutz nun auf ganz neue Beine gestellt. Während Deutschland dafür ein eigenes Stammgesetz geschaffen hat, findet man die Bestimmungen in Österreich in einem Unterabschnitt des UWG (§§ 26a–j). Nun ist zwar nicht alles neu, der Blickwinkel hat sich aber doch stark geändert. Der Schutz ist nun eindeutig an die Immaterialgüterrechte angelehnt: Schutzgegenstand, Inhaber, Ausschließungsrecht, Schranken, Rechtsfolgen und sogar Verfahrensbestimmungen wurden geregelt. Auf ein Wettbewerbsverhältnis oder ein Handeln im geschäftlichen Verkehr kommt es nicht an. Der neue Unterabschnitt kann daher durchaus als Gesetz im Gesetz bezeichnet werden. Praktisch bedeutsam sind insbesondere auch die neuen Bestimmungen zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen in Gerichtsverfahren (§ 26h UWG).
Unternehmen dürfen sich also über einen deutlich besseren Schutz freuen?
Sie dürfen sich über klarere Regeln und einen besseren Schutz freuen, bekommen das aber nicht „geschenkt“, denn mit den neuen Bestimmungen wurden auch neue Obliegenheiten geschaffen. Insbesondere müssen Unternehmen angemessene Schutzmaßnahmen ergreifen, um die Informationen zu sichern. Ergreifen sie selbst keine angemessenen Maßnahmen, so erhalten sie auch keinen rechtlichen Schutz. Frei nach dem Motto: Wer Schutz will, muss auch etwas dafür tun. Letztendlich erfüllen diese Schutzmaßnahmen primär eine Warnfunktion: Wer über einen Zaun in ein fremdes Grundstück klettert, kann kaum behaupten, dass er das Grundstück nicht erkannt hat.
Worin sehen Sie in der Praxis die größte Gefahr, wenn es um den Schutz von Geschäftsgeheimnissen geht? Ist Betriebsspionage ein Thema?
Natürlich ist Betriebsspionage ein Thema. In der Praxis am häufigsten sind aber Fälle, in denen Geheimnisträger – insbesondere Arbeitnehmer – Geschäftsgeheimnisse zu eigenen Zwecken verwerten oder einem Dritten – etwa einem neuen Arbeitgeber – preisgeben. Auch dafür bieten die neuen Bestimmungen klarere Rechtsrahmen. Die Abgrenzung von geschützten Geschäftsgeheimnissen und freiem Erfahrungswissen ist und bleibt aber eine Herausforderung.
Das klingt alles sehr spannend. Was erwartet den Leser in Ihrem Buch?
Ziel war es natürlich primär, die neuen Bestimmungen vorzustellen, in Bezug zur bisherigen Rechtslage zu setzen und den daraus entstehen den Handlungsbedarf (insbesondere im Bereich Schutzmaßnahmen und Vertragsgestaltung) aufzuzeigen. Letztendlich habe ich aber versucht, den Leserinnen und Lesern mit dem Buch alle Materialien an die Hand zu geben, die sie benötigen, um Lösungen für die Probleme in der Praxis zu finden – egal ob als Unternehmensjurist, Rechtsanwalt oder Richter. Das Buch enthält daher auch eine Einleitung mit allgemeinen Ausführungen zum Geschäftsgeheimnisschutz, einen überblicksartigen Exkurs zu den unverändert gebliebenen strafrechtlichen Tatbeständen sowie einen Anhang mit tabellarischen Übersichten, einer Entsprechungstabelle (Richtlinie vs Umsetzung) und den Gesetzestexten.
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