VERFASSUNGSRECHT UND ENTSCHÄDIGUNGSPFLICHT
Verbot von Öl- und Gasheizungen verfassungswidrig?
Sind die bereits erlassenen und noch geplanten Verbote von Öl- und Gasheizungen mit dem Schutz des Eigentums vereinbar? In welchen Fällen gebührt Entschädigung? Diese Fragen beantwortet Andreas Wimmer in einem Fachbeitrag.

Auf welche Art und Weise ein Haus oder eine Wohnung beheizt wird bzw. welcher Energieträger zur Beheizung verwendet wird, ist grundsätzlich vom Eigentümer im Rahmen seiner Privatautonomie zu entscheiden. Freilich besteht das Recht des Eigentümers zur freien Sachnutzung nicht schrankenlos. Dass der Klimaschutz Eigentumsbeschränkungen „zur Erhaltung und Beförderung des allgemeinen Wohles“ (§ 364 Abs 1 ABGB) zu rechtfertigen vermag, liegt auf der Hand. Der Schutz der Umwelt als Lebensgrundlage des Menschen („umfassender Umweltschutz“) ist in § 3 Abs 1 BVG Nachhaltigkeit als Staatsziel festgelegt.
Überblick:
Die Regelung im Ölkesseleinbauverbotsgesetz (ÖKEVG)
Keine Entschädigungspflicht bei Verboten in Neubauten
Die Regelung im Ölkesseleinbauverbotsgesetz (ÖKEVG)
Aus Gründen des Umweltschutzes, zu dem auch die Bekämpfung des Klimawandels gehört, haben Bund und Länder in den letzten Jahren Gesetze beschlossen, die bei Zentralheizungsanlagen den Einbau von Heizkesseln für flüssige oder feste fossile Brennstoffe in neu bewilligten Gebäuden untersagen. Mit dem Ölkesseleinbauverbotsgesetz 2019 (ÖKEVG 2019) wurde eine bundesweit geltende Regelung geschaffen. Seit 1.1.2020 ist damit die Installation von öl- oder kohlebetriebenen Zentralheizungen in Neubauten verboten.
Mit den gesetzlichen Vorschriften, die den Einbau und den Betrieb bestimmter Heizkessel in Neubauten untersagen, bewegen sich der Bundesgesetzgeber und die Landesgesetzgeber auf verfassungsrechtlich sicherem Terrain. Es kommt nämlich nicht zu einer Eigentumsentziehung oder gar zu einer formellen Enteignung, sondern der Eigentümer des neu zu errichtenden Gebäudes wird lediglich in seiner Freiheit der Auswahl bestimmter Heizkessel beschränkt, wenn er sich für eine Zentralheizungsanlage entscheidet. Es liegt ein geringfügiger Eingriff in die von der Eigentumsfreiheit geschützte Privatautonomie vor, der von den gewichtigen öffentlichen Interessen am umfassenden Umweltschutz überwogen wird.
Keine Entschädigungspflicht bei Verboten in Neubauten
Die Frage der Entschädigungspflicht ist in den einzelnen grundrechtlichen Bestimmungen unterschiedlich geregelt. Im Lichte der Judikatur des VfGH kommt Art 5 StGG als Rechtsgrundlage einer Entschädigung für (formelle) Enteignungen und sonstige Eigentumseingriffe nicht in Betracht. Bei den anderen relevanten Bestimmungen – namentlich Art 17 GRC, Art 1 1. ZP EMRK sowie Art 11 TLO – ist eine differenzierende Sichtweise geboten.
Nach einer detaillierten Prüfung der Bestimmungen ist festzuhalten: Das gesetzliche Verbot, mit fossilen Energieträgern betriebene Heizkessel von Zentralheizungsanlagen in neu errichtete Gebäude einzubauen, zieht keine Entschädigungspflicht der öffentlichen Hand nach sich, weil den betroffenen Gebäudeeigentümern dadurch kein positiver Schaden erwächst.
Verpflichtender Ölkesseltausch
Im Regierungsprogramm 2020 bis 2024 ist ein „Stufenplan“ vorgesehen, nach dem ein „verpflichtender Austausch“ von mit Heizöl und Kohle betriebenen Heizkesseln, die älter als 25 Jahre sind, vorgeschrieben werden soll. „Spätestens im Jahr 2035“ soll der Austausch aller bestehenden Öl- und Kohleheizkessel erfolgen.
Entsprechende gesetzliche Vorschriften greifen in die verfassungsgesetzlich gewährleistete Eigentumsgarantie ein. Es handelt sich um „Eigentumsbeschränkungen“ iSd Rspr des VfGH respektive „Nutzungsregelungen“ iSd Rspr des EGMR. Die Voraussetzungen für die grundrechtliche Zulässigkeit von Eigentumsbeschränkungen entsprechen im Wesentlichen denjenigen von Enteignungen. Die Eigentumsbeschränkung muss demnach gesetzlich vorgesehen sein, einem öffentlichen Interesse dienen, verhältnismäßig sein sowie ein angemessenes Verhältnis zwischen dem eingesetzten Mittel und dem damit verbundenen Grundrechtseingriff wahren.
Angemessene Übergangsfristen
Wenn sich auch das beabsichtigte Mittel (Verbot bestimmter Heizungen) aus Gründen des Klima- und Umweltschutzes als unumgänglich erweist, so ist der grundrechtlichen Eigentumsverbürgung und dem auf dem Gleichheits(grund)satz (Art 7 B-VG) beruhenden Vertrauensschutz nur dann ausreichend Genüge getan, wenn der Gesetzgeber angemessene Übergangsfristen vorsieht. Die Frage, wann eine Übergangsfrist angemessen ist, richtet sich naheliegenderweise nach der üblichen Nutzungsdauer eines Öl- oder Kohleheizkessels.
Nach herrschender Ansicht beträgt die übliche Nutzungsdauer von Heizungsanlagen etwa 20 Jahre. Daraus ergibt sich eine Absetzung für Abnutzung (AfA) von fünf Prozent jährlich. Nach einer Entscheidung des Unabhängigen Finanzsenats (UFS) aus 2009 hat eine Heizungsanlage, die mehr als 25 Jahre alt ist, nur noch einen Gebrauchs-, aber keinen Verkehrswert mehr.
Entschädigungspflicht unter bestimmten Voraussetzungen
Was aber, wenn der Heizkessel zum Zeitpunkt des Inkrafttretens einer gesetzlichen Bestimmung, die den (Weiter-)Betrieb eines bereits bestehenden Öl-, Gas- oder Kohleheizkessels verbietet, noch einen Buchwert hat? Dann spricht vieles dafür, die Verhältnismäßigkeit dieses Eigentumseingriffs nur dann anzunehmen, wenn dem Eigentümer eine Entschädigung im Ausmaß des Buchwerts des Heizkessels und für den Einbau eines neuen Heizkessels geleistet wird – vermindert um jenen Betrag, der sich aus einer wesentlich verlängerten Lebensdauer der Heizungsanlage ergibt.
Eine Entschädigungspflicht besteht nicht, wenn sich der Eigentümer eines Gebäudes/einer Wohnung für den Einbau eines Öl-, Gas- oder Kohleheizkessels entscheidet, nachdem das künftig geltende Verbot bereits im Bundesgesetzblatt/Landesgesetzblatt kundgemacht worden ist. In diesem Fall hätte der Eigentümer von dem künftig geltenden Verbot Kenntnis haben müssen, weswegen seine dennoch erfolgte Entscheidung für einen Öl-, Gas- oder Kohleheizkessel ihm selbst zuzurechnen ist.
Die Pflicht zur Leistung der Entschädigung trifft diejenige Gebietskörperschaft, die das Verbot bestimmter Heizkessel erlassen hat. Sofern aus Anlass des Heizungswechsels Förderungen der öffentlichen Hand gewährt werden, wird der Entschädigungsanspruch entsprechend vermindert.
Stark gekürzter und bearbeiteter Auszug aus dem Beitrag „Verbot von Öl- und Gasheizungen aus Gründen des Klimaschutzes: Verfassungsrechtliche Zulässigkeit und Entschädigung“. Den gesamten Text, der den rechtlichen Rahmen, die verfassungsrechtliche Beurteilung und die Frage der Entschädigungspflicht im Detail erläutert und argumentiert, finden Sie in Ausgabe 2/2022 der MANZ-Fachzeitschrift Recht der Umwelt (RdU).
Querverweise zur Norm in der RDB wurden automatisch mit dem MANZ Linkbutler erstellt.