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ENTSCHEIDUNG DES LGZ ZUR MIETZINSMINDERUNG

Betretungsverbote in der Pandemie

Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien hat erstmals über die Mietzinsminderung im Handel aus Gründen der Pandemie entschieden. Die Details des Verfahrens und der Entscheidung kennt MANZ-Gastautor Herbert Rainer.

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Herbert Rainer
Rechtsanwalt und Schriftleiter der MANZ-Zeitschrift immolex
Redaktion
Reinhard Ebner
Datum
26. Mai 2021

Ein Buchhändler hatte im ersten Lockdown die Miete nur unter Vorbehalt bezahlt und begehrte die Rückzahlung des aliquoten Teils. Das Bezirksgericht Josefstadt gab dem Händler Recht, das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien gab nun der Berufung des Vermieters nicht Folge.

Der Hintergrund: Von 16. März bis 13. April hatte ein Betretungsverbot für den Kundenbereich bestanden. An Stammkunden wurde kontaktfrei geliefert. Der Umsatz sank auf zwei bis fünf Prozent des Umsatzes im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Der Buchhändler suchte nicht um Fixkostenzuschuss an.

Betriebsschließung im Lockdown

Wesentliche Aussagen des Gerichts in stark gekürzter Zusammenfassung:

  • Kann die in Bestand genommene Sache wegen außerordentlicher Zufälle wie der COVID-19-Pandemie gar nicht gebraucht oder benutzt werden, so ist der Bestandgeber gem § 1104 ABGB zur Wiederherstellung nicht verpflichtet. Jedoch ist auch kein Miet- oder Pachtzins zu entrichten.
  • Behält der Mieter dennoch einen beschränkten Gebrauch des Mietstücks, wird ihm ein verhältnismäßiger Teil des Mietzinses erlassen.
  • Betretungsverbote wie Betriebsschließung sind die Folge eines außerordentlichen Zufalls iSd § 1104 ABGB. Der Gebrauch des Bestandsobjektes ist dann nicht „aus einem dem Bestandnehmer zugestoßenen Hindernisse oder Unglücksfalle vereitelt“ worden (§ 1107 ABGB).
  • Bei der Mietzinsminderung nach § 1096 Abs 1 Satz 2 ABGB handelt es sich nicht nur um eine Gewährleistungsfolge eigener Art, sondern auch um eine Gefahrtragungsregel. Der Bestandgeber trägt das Risiko für den Ausfall oder eine wesentliche Einschränkung des Gebrauchsnutzens der Bestandsache. Er verliert auch bei „gewöhnlichem Zufall“ ganz oder teilweise den Anspruch auf Leistung des Mietzinses.
  • Die aktuelle Pandemie ist kein vom Bestandnehmer zu tragendes „allgemeines Lebensrisiko“.
  • Die Preisgefahr bei jeder Art von „Zufall“ trifft den Bestandgeber. Im Gegensatz zu „gewöhnlichen Zufällen“ ist der Bestandgeber bei „außergewöhnlichen Zufällen“ in der Regel nicht zur Wiederherstellung verpflichtet. Der Bestandgeber trägt damit zwar weiter die Preisgefahr, von der Leistungsgefahr wird er aber befreit.
  • Der Fixkostenzuschuss soll nur den begünstigten Unternehmen, nicht hingegen den Vermietern zugutekommen.
  • Dem Standpunkt des Vermieters, der Mieter hätte staatliche Förderungen (Fixkostenzuschuss, Härtefallfonds) in Anspruch nehmen und diese im Ausmaß der geschuldeten Miete an den Vermieter weiterleiten müssen, erteilt das Gericht eine klare Absage.
  • Die Minderung des Bestandszinses ist gem § 1104f ABGB in gleicher Weise wie bei jener nach § 1096 Abs 1 ABGB durch Vergleich des Bestandzinses zu ermitteln, der ohne Mangel, und jenem, der mit dem Mangel für das Bestandobjekt am Markt zu erzielen ist (relative Berechnungsmethode).
  • Eine Buchhandlung „lebt“ vom Verkaufsraum. Internetverkäufe sowie die Nutzung von Auslage und Lagerräumen fallen dem gegenüber weniger ins Gewicht. Die Mietzinsminderung um 64 Prozent war angesichts des Betretungsverbots für den Verkaufsraum vermieterfreundlich.

Gekürzter Auszug aus dem Editorial "COVID 19 – erste Entscheidung des LG für ZRS Wien" von MANZ-Autor Herbert Rainer. Den gesamten Text finden Sie in Ausgabe 4 der Zeitschrift immolex sowie online auf rdb.at.

Querverweise zur Norm in der RDB wurden automatisch mit dem MANZ Linkbutler erstellt.

„Die Mietzinsminderung um 64 Prozent war angesichts des Betretungsverbots vermieterfreundlich.“
HERBERT RAINER, Rechtsanwalt